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Simulation und Validierung der Faserausrichtung bei faserverstärkten Kunststoffen

Faserverstärkte Kunststoffe werden aufgrund ihrer hervorragenden Eigenschaften in vielen Spritzgussartikeln eingesetzt. Sie präsentieren sich jedoch mit einer nennenswerten Einschränkung: Das Werkstoffverhalten und damit auch das Schwindungs- und Verzugsverhalten ist deutlich richtungsabhängig, d.h. anisotrop und nicht in alle Raumrichtungen gleich, wie z.B. bei isotropen Metallen. Das Thema der Anisotropie sorgt bei vielen Anwendern für Unsicherheit, falschen Annahmen und damit für eine suboptimale Bauteil- und Werkzeugauslegung insb. in Bezug auf die anzunehmende Artikelschwindung.

Bei der Fertigung von Spritzgießwerkzeugen wird häufig ein mittleres Schwindungsaufmaß aus dem technischen Datenblatt verwendet, um das Bauteil für die Kavität größer zu skalieren und die gewünschte Maßhaltigkeit beim spritzgegossenen Artikel zu erzielen. Dies mag in einigen Fällen – insbesondere für einfache Geometrien – funktionieren, doch wenn die Geometrie komplexer wird und es sich zusätzlich um faserverstärkte Materialien handelt, kann diese einfache Annahme deutlich von der Realität abweichen.

So auch im folgenden Beispiel: Der entwickelte Connector, welcher gleichermaßen als Abdeckung und Stecker fungiert, weist im linken Steckerkorb ein deutlich kleineres Maß auf als gewünscht – trotz aufgebrachtem Schwindungsaufmaßes im Werkzeug. Mittels Spritzgusssimulation lassen sich Schwindungs- und Verzugstendenzen vorhersagen, die Faserausrichtung aussagekräftig darstellen und für weitere Entwicklungsschritte als anisotropes Materialmodell in die Struktursimulation exportieren.

Abbildung 1: Connector mit Maßabweichung am Steckerkorb trotz aufgebrachtem Schwindungsmaß im Werkzeug

Auswertemöglichkeiten in der Simulation

Grundsätzlich lassen sich Faserausrichtungen in die drei Raumrichtungen, sowie in unterschiedlichen Ebenen einzeln auswerten. Die Summe der drei raumabhängigen Einzelwerte ergibt hierbei immer
100 %. Liegt für die Raumrichtungen x, y und z jeweils 33% Faserausrichtung vor, wird ein isotropes, d.h. richtungsunabhängiges Verhalten dargestellt.

Abbildung 2: Simulierte Faserausrichtung in z-Koordinate

Für den Anwendungsfall des Connectors beschränken wir uns nun auf die Auswertung in der
Längsachse (z) durch den Artikel. In Abbildung 2 ist die Auswertung der entsprechenden Faserausrichtung dargestellt. Es ist deutlich erkennbar, dass die Fasern im betroffenen linken Steckerkorb größtenteils in Längsrichtung orientiert sind. Die Simulation zeigt hier Orientierungswerte von bis zu 80 % in z-Richtung. Es kann also von einer Vorzugsrichtung im linken Steckerkorb gesprochen werden, die sich auch mechanisch bemerkbar macht.

Genau hierin liegt auch die eingangs besprochene „Schwindungsproblematik“ der Werkzeugauslegung begründet: Quer zur Faserausrichtung ist die Schwindung im Regelfall deutlich größer als in Faserrichtung. Wird nun ein klassischer Mittelwert als Schwindungsaufmaß genommen, so spiegelt dies nicht die Realität wider. Mit Hilfe der Simulation können also Rückschlüsse auf das zu berücksichtigende Schwindungsaufmaß gezogen und das Werkzeug entsprechend korrigiert werden. Wäre diese Simulation vor dem Bau des Werkzeugs durchgeführt worden, so hätte man diese Korrekturschleife vermeiden können.

Um unsere Ergebnisse zu validieren und auch eine Feedbackschleife für eine kontinuierliche Verbesserung der Simulation zu berücksichtigen, nehmen wir bei BARLOG Plastics stets den Abgleich mit dem realen Bauteil vor. Dementsprechend wurde das Bauteil nicht nur zu Zwecken der Maßprüfung ins CT geschickt – auch hier ist die Überprüfung der Faserausrichtung möglich! Insbesondere im Bereich der Prototypen bietet es sich an, die Faserausrichtung im realen Artikel zu überprüfen und Rückschlüsse bezüglich der Bauteilkontur und Anspritzposition zu ziehen, um dies für den Serienartikel  gegebenenfalls weiter zu optimieren.

Faseranalyse mittels Computertomographie

Die industrielle Computertomographie (CT) hat sich in den letzten Jahren zu einer unverzichtbaren Methode für die zerstörungsfreie Prüfung und Charakterisierung von Bauteilen entwickelt. Angefangen bei der vollständigen Erstbemusterung von Bauteilen, über die Visualisierung von Formabweichungen, bis hin zur zerstörungsfreien Defektanalyse, bietet die CT eine Vielzahl an Anwendungsfeldern in der Untersuchung von Kunststoffteilen. Eine Teildisziplin ist dabei auch die Analyse des Faserverlaufes. Dazu wird zunächst eine Probe präpariert, um eine optimale Sichtbarkeit der Fasern zu gewährleisten. Die Entnahme einer Teilprobe ist notwendig, da nur so die erforderliche Auflösung erreicht werden kann, um die Fasern effektiv im CT bewerten zu können.

Im CT wird die Probe im Anschluss mit Röntgenstrahlung durchleuchtet und dabei kontinuierlich rotiert. Aus einer Vielzahl von zweidimensionalen Projektionsbildern kann computergestützt ein hochauflösendes
3D-Volumenmodell rekonstruiert werden, welches die Faserstruktur im Detail abbildet. Die Fasern können nun über spezielle Bildverarbeitungsalgorithmen von der umgebenen Matrix über die Unterschiede in der Grauwertintensität segmentiert und hinsichtlich verschiedener Parameter quantitativ analysiert werden. Dazu gehören z.B. Faservolumen & -orientierung, aber auch Defekte oder Inhomogenitäten.

Simulationsvalidierung am realen Bauteil

Am Beispiel des Connectors kann eine Probe aus der Seitenwand des Steckerkorbes entnommen werden. Als Ergebnis der Analyse lässt sich das Diagramm aus Abb. 3 ableiten, welches die Faserorientierung in den unterschiedlichen Raumrichtungen über die entnommene Probendicke aufzeigt.

Abbildung 3: Faserverlauf der einzelnen Raumrichtungen über Probendicke

Die rote Linie in Abb. 3 zeigt die Orientierung der Fasern in z-Richtung. Wie schon in der Simulation prognostiziert, zeigt auch die Realität eine sehr hohe Orientierung der Randschichten von rund 75% der Fasern in Fließrichtung. Im Diagramm lässt sich ein weiteres typisches Verhalten von faserverstärkten Kunststoffbauteilen herauslesen. In der Kernschicht fällt die hohe Orientierung in z-Richtung deutlich ab, während die Orientierung in x-Richtung (hellblaue Linie) gleichermaßen stark zunimmt. Dies liegt daran, dass die Kunststoffschmelze beim Kontakt mit der Werkzeugwand in der Randschicht direkt erstarrt und in Folge zwischen erstarrter Randschicht und noch schmelzeförmiger Kernschicht (plastische Seele) ein hoher Geschwindigkeitsgradient entsteht. Diese Scherung sorgt zusammen mit dem biaxialen Strömungsprofil der Schmelze für eine längs Ausrichtung der Faser in Randschichtnähe und einer Ausrichtung quer dazu in der Kernschicht. Mit Blick auf die gesamte Probe zeigt sich, dass die hochorientierten Randbereiche stark ausgeprägt sind und die Kernschicht nur ca. 20% der Gesamtdicke einnimmt. So führt die CT-Analyse am realen Bauteil, analog zur Simulation zu dem Ergebnis, dass die Fasern im Bereich des Steckerkorbes anisotrop ausgerichtet sind und somit eine global angenommene Schwindung nicht zielführend ist.

Abbildung 4: Faserverlauf im CT-Schnitt: Links dargestellt ist die Randschicht, rechts die Kernschicht

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Ihr Kontakt zum Autor für Rückfragen und fachliche Diskussionen:

Tobias Haedecke, M. Eng.
Bereichsleiter / Director Engineering
+49 160 / 271 43 60
tobias.haedecke@barlog.de
www.barlog.de/leistungen/cae-services/

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